Gutes Beispiel
Der Friedrichshafener Frühstücksbus
In Friedrichshafen trafen sich 23 engagierte Vertreterinnen und Vertreter aus Zivilgesellschaft und Institutionen zum Netzwerkgespräch „sprachlos im Dialog“. Ihre zentrale Fragestellung lautete: Wie können die Integration geflüchteter Menschen und ein gutes Zusammenleben in Friedrichshafen gelingen? Im Ergebnis setzen die Teilnehmer auf ein innovatives Begegnungsformat.
Mit dabei waren das DRK, der Rat der Nationen und Kulturen, SWG, die Initiative Frühlingserwachen, der Helferkreis St. Columban, Arcade, der Stadtsportverband, Herr Al Jacin, die Schlossfreunde Friedrichshafen, Teestube e. V., Blaue Blume sowie die Netzwerkstelle der Stadt Friedrichshafen. Sie alle eint das Ziel, das Miteinander in Friedrichshafen offen und dialogorientiert zu gestalten. Das Netzwerkgespräch diente vor diesem Hintergrund dazu, gemeinsame Leitlinien und einen Fahrplan für das weitere Vorgehen festzulegen.
Zu Beginn der Veranstaltung stellte Martin Schwarz von der Führungsakademie Baden-Württemberg zunächst das Konzept der Kommunalen Flüchtlingsdialoge vor und lieferte damit wertvollen Input, wie der Austausch mit geflüchteten Menschen funktionieren kann. Diesen Ball nahmen die Teilnehmer auf und entwickelten anhand der Methode „Fokusfinder“ fünf Leitsätze für ein gutes Zusammenleben:
- Toleranz und Gerechtigkeit ermöglichen Frieden
- Gemeinschaft gibt Halt und macht glücklich
- Dialog und Interesse fördern Gleichberechtigung
- Dialog und Hilfsbereitschaft ermöglicht Freiraum
- Mitbestimmung durch Rücksicht und Vertrauen
Während diese Leitsätze als allgemeine Richtschnur dienten, wurde es im Anschluss konkret. Studierende stellten das Projekt „Frühstücksbus“ als Möglichkeit für einen direkten und niedrigschwelligen Dialog zwischen „alten“ und „neuen“ Friedrichshafenern vor. Die Idee: Ein mobiler Bus hält an unterschiedlichen Orten in der Stadt und dient bei Kaffee und Gebäck als unkompliziert zugänglicher Begegnungsraum. Bei den Teilnehmern kam dieses Konzept gut an. Sie formulierten eigens Ideen und Anforderungen an den Frühstücksbus und zeigten große Bereitschaft, an der praktischen Umsetzung vor Ort mitzuwirken. Schließlich wurde vereinbart, eine Praxis-orientierte Roadmap anzulegen und Ende September 2016 eine Frühstücksbus-Auftaktveranstaltung zu initiieren.
Der Frühstücksbus
Am 24. September war es dann soweit: Der Frühstücksbus war erstmalig unterwegs und startete eine siebentägige Tour durch Friedrichshafen. Die Schwäbische Zeitung berichtete (26.09.2016):
Irritationen auf positive Art
Friedrichshafen (Lena Reiner)
Der Frühstücksbus macht seit Samstag sieben Tage lang an acht verschiedenen Orten halt in Friedrichshafen und bietet Gelegenheit zum Austausch und zu Gesprächen. Das Ziel: mehr Vielfältigkeit in der Stadt und gegenseitiges Verständnis.
„Das ist Herzensbildung“, erklärt Thomas Cattarius. Der Meckenbeurer wollte eigentlich bloß nach einem Besuch bei seinem Bruder in der Häfler Innenstadt noch ein wenig an der Uferpromenade spazieren gehen, da habe er vom Marktplatz her Musik herüberwehen gehört. „Das hat mich angezogen“, meint er. Ohne dass es ihm jemand erklären haben müsse, habe er den Sinn des Frühstücksbusses als mobilen Ort des Dialogs verstanden, er ist erfreut darüber, dass der negativen Stimmung in den Medien in der Wirklichkeit etwas entgegengesetzt wird. „Es gibt so viele tolle junge Menschen, die sich engagieren.“ Eine gute Stunde sitzt er nun schon auf einer Bierbank in der Sonne, lauscht der Jazzmusik des Guttenberg Trios und genießt den frisch gebrühten Kaffee. Die kleine Veranstaltung, die viele Passanten gleichermaßen überrascht und erfreut, stellt den Auftakt zu einer einwöchigen Tour des neu begründeten „Frühstücksmobils“ dar, die Häfler Version der vom Land Baden-Württemberg ausgeschriebenen „kommunalen Flüchtlingsdialoge“. Die Arbeit zahlt sich aus: die Bänke sind voll besetzt, das Auftaktevent wird spontan um eine Stunde verlängert und die Gesichter strahlen nicht nur wegen des kostenlosen Angebots an belegten Brötchen, Kaffee und Kuchen. „Schauen Sie, hier wurden fünf wildfremde Menschen zusammengebracht!“, freut sich das Ehepaar Sprinz, das auch eher spontan in die Veranstaltung hineingeraten ist und nun mit den neuen Bekannten an einem der mit frischen Blumen dekorierten Stehtische plaudert. Die Idee hinter der Aktion haben sie sich von einem „besonders netten Studenten“ erklären lassen, wie sie sagen, da sie die Eröffnungs- und Grußworte verpasst hätten.
Martin Hahn von den Grünen, Lothar Riebsamen von der CDU und Andreas Köster als Sozialbürgermeister der Stadt Friedrichshafen haben neben Luca Messerschmidt von Frühlingserwachen die zahlreichen Gäste begrüßt und an ihren Gedanken zum Thema Asyl und Integration teilhaben lassen. Diese bieten eine gute Grundlage für erste Gespräche.
Die Idee zu dem unkonventionellen und örtlich flexiblen Modell hatten Mitglieder der Initiative Frühlingserwachen. Die Studenten arbeiteten daraufhin gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlich engagierten Bürgern das Konzept bis ins Detail aus. Acht Standorte in sieben Tagen soll der Bus bestückt mit täglich frischem Frühstück und mindestens fünf Dialogpartnern anfahren. Dass es dabei situationsbedingt auch spontan zugehen kann, beweist direkt der erste Einsatz am Sonntag in Fischbach: Weil der zunächst anvisierte Doktor-Rueß-Platz eher ruhig ist, wechselt das Team auf den Vorplatz der St. Magnus-Kirche. Mehr als eine Stunde bleiben manche Gottesdienstbesucher noch, um über Gott, die Welt und die in 2015 neu angekommenen Mitmenschen zu sinnieren und diskutieren. „Wir sind eine offene und lebendige Gemeinde“, erklärt Roswitha Neher. „Das ist wichtig. Denn Angst vor Fremdem ist normal. Man sollte dann nur so offen sein und selbst schauen, ob diese überhaupt begründet ist.“, erklärt Margot Baumann. Sie sei froh über die Frühstücksaktion: „Es braucht solche Orte, an denen man sich begegnet, ohne extra irgendwohin zu gehen.“
(Quelle: Schwäbische Zeitung, 26. September 2016).